Feininger in Benz und Neppermin

Der berühmte Maler, Bauhaus-Meister und auch Komponist Lyonel Feininger hat den Orten Benz und Neppermin in künstlerischer wie auch in historischer Hinsicht ein Denkmal gesetzt.

Feininger wurde im Jahre 1871 als Sohn eines deutschstämmigen Geigers und einer Sängerin in New York geboren. Während einer Europa-Tournee seiner Eltern im Jahre 1887 erhält er die Erlaubnis, die Allgemeine Gewerbeschule in Hamburg zu besuchen. Schon am 1. Oktober des folgenden Jahres besteht er die Aufnahmeprüfung an der Königlichen Akademie in Berlin. In dieser Zeit beginnt er zu zeichnen. Karikaturen von ihm wurden hauptsächlich in den Zeitschriften „Humoristische Blätter“ und „Ulk“ veröffentlicht. Erste Gemälde entstehen 1907 in Paris. Im Jahre 1919 gehört Feininger zusammen mit Martin Gropius zu den Gründern des legendären „Bauhauses“ in Dessau und wird Mitglied des dortigen „Meisterrates“. Zahlreiche Reisen, insbesondere in Deutschland und Frankreich, liefern ihm eine unglaubliche Fülle an Motiven, die er in verschiedensten Techniken zum Bild entstehen lässt.

Benz

Ab 1906 vollzieht sich – angeregt durch seine Freundin und spätere Frau Julia Berg – sein Wandel zum Maler. In den Jahren 1908 bis 1921 verbrachte Feininger zahlreiche Sommeraufenthalte auf Usedom, insbesondere in Heringsdorf. Von dort aus unternahm er Ausflüge in die Umgebung. Aus Benz schrieb der Künstler am 14. August 1912: „... ich bin inmitten der Motive, die ich kenne und die mich inspirieren“. Fünf Tage später ist von einem weiteren Besuch die Rede: „Wir kamen, Heimann Hans und ich um 8 Uhr in Benz an und waren, in der Dämmerung unterwegs, rein verzaubert ob der Eindrücke, - die birkenumrandete Chaussee, die bergauf – bergab geradeaus führt... klobige groteske schwarze Menschensilhouetten auf dem Weg, alle in Sonntagsfeinerei! Ich male das...“.

Die Holländermühle

Schon zwei Jahre vorher, am 14. September 1910, hatte Feininger ein Bild geschaffen, das sich später in doppelter Hinsicht als bedeutsam erweisen würde. Er skizzierte die Benzer Holländerwindmühle in schwarzer Kreide und schuf dadurch die erste und einzig erhaltene Darstellung des Bauwerkes während der Zeit der Windmüllerei. Da in den zwanziger Jahren infolge der Umstellung auf Elektrobetrieb die Flügel abgenommen wurden, erwies sich die Zeichnung als wichtiger Anhaltspunkt bei der Wiederherstellung im Jahre 2002. Dabei wurde im Vergleich des Bildes mit erhalten gebliebenen Teilen festgestellt, dass die Mühlenflügel über ihrem Kreuzungspunkt abgespannt waren – eine Einzigartigkeit bei den in Deutschland bekannten Windmühlen.

Sankt Marien

Die Benzer Kirche mit ihrer charakteristischen Turmhaube aus dem Jahre 1740 hatte es dem Maler besonders angetan. Er skizzierte und malte sie, von 1909 an beginnend, in verschiedenen Perspektiven und Techniken: Bleistift, Kohle, Kreide, Öl und stellte sie in Holzschnitten dar. Einer dieser Schnitte aus dem Jahre 1918 ist laut Dr. Werner Timm „zweifellos in die Geschichte der Grafik einzuordnen als ein Meisterwerk des deutschen expressionistischen Holzschnittes.“ Noch nach seiner Rückkehr in die USA (1937) war die Kirche ein lohnenswertes Gedächtnis-Motiv für den architekturbegeisterten Künstler. Bislang sind nicht weniger als 30 Arbeiten bekannt. Das letzte Kirchen-Aquarell schuf Feininger 1955 – kurz vor seinem Tod im Januar 1956. Sehr bezeichnend für Feiningers Arbeitsweise und gleichzeitig historisch aufschlussreich sind auch seine „Naturnotizen“ aus der heutigen Labömitzer Straße – vis-à-vis zum Ferienquartier. Er skizzierte eine kleine, unscheinbare Fachwerkscheune in drei verschiedenen Jahren. 1909 enstand eine Darstellung, die sich heute in Sydney (Australien) befindet. Aus 1910 datiert eine Skizze, die heute in Cambridge gelandet ist und eine ähnliche aus dem Jahre 1912 wurde kürzlich an einen unbekannten Erwerber nach Italien verkauft.

In Peppermint

Auch zu Neppermin hatte Feininger eine besondere Beziehung. Schon der Name des Dorfes muss in seinen anglo-deutschen Ohren seltsam geklungen haben und inspirierte den Maler zu anglizistischen Wortspielen: „Nevermind“ und „Peppermint“ waren seine Synonyme für den Ort. In der Zeit vom 1. September bis zum 21. Oktober 1910 hielt er sich in Neppermin auf und nahm dort sogar Quartier. Dabei fand er guten Kontakt zu den Einheimischen, denen er die behördlich verlangten Orts- und Nummernschilder für ihre Boote malte. Heute wäre es interessant zu wissen, wie sich die Beziehungen zwischen dem mit amerikanischem Dialekt sprechendem Künstler (laut Elisabeth Erdmann-Macke „...ein vornehmer Mensch, groß, schlank mit edlen Zügen“) und dem pommerschen Menschenschlag gestalteten. Der Hafen von „Peppermint“, eher eine naturbelassene Anlegestelle für Fischerboote, die Dorfstraße mit alten Häusern und Scheunen sowie Wege und Landschaften bestimmten die Motivauswahl. In Neppermin traf Feininger auch auf alte Bockwindmühlen. „Ich wanderte zu den alten Mühlen, zwei von ihnen sind ohne Flügel und so melancholisch und ruinös“. Grund genug für den Meister, die Bauwerke auf dem Papier festzuhalten – lt. Dr. Werner Timm „voll Würde und Monumentalität selbst im Verfall“. Auch die Nepperminer Motive beschäftigten Feininger weit über die Zeit seines dortigen Aufenthaltes hinaus. Neun Jahre später malte er in Weimar das Ölgemälde „Dorf Neppermin“, stilistisch völlig anders als die gezeichneten Vor-Ort-Motive in der für ihn typischen prismatisch-kristallinen Kompositionstechnik.

Zirkus in Balm

Letztendlich hat Feininger im Nepperminer Ortsteil Balm eine interessante Szene festgehalten, die damals wohl eine Abwechslung im Alltagsleben der Dörfler gebildet haben mag. Auf dem Dorfplatz hat ein Zirkus sein Zelt aufgeschlagen. Man sieht im Vordergrund den wartenden, Pfeife rauchenden Zirkusdirektor und in einiger Entfernung die noch distanzierten, aber neugierigen Balmer. Der Zirkuswagen steht vor dem Schmidt`schen Haus. Die dazugehörige Scheune, das kleine Gebäude der Ortsfeuerwehr und das Anwesen der Familie Pirwitz sind heute noch vorhanden. Nach der Gesamtstimmung des Bildes zu urteilen, wird der Zirkus bei seinem Balmer Gastspiel wohl keinen großen Gewinn erzielt haben. Es existieren über 1.390 Arbeiten aus den Händen Feiningers, die auf Usedom entstanden sind oder hiesige Motive zeigen. Damit hat der Künstler der Insel ein riesiges Vermächtnis hinterlassen. Ein Teil davon wird den Besuchern auf einem thematischen Kunstpfad präsentiert: der „Feininger-Tour“ für Wanderer und Radfahrer. An über 50 Malstandorten – jeweils durch Bronzetafeln gekennzeichnet – werden durch einen reich bebilderten Kunstwanderführer über 80 Motive sichtbar gemacht. Die Route erstreckt sich über 53 km durch die Orte Benz, Neppermin, Balm, Mellenthin, Zirchow, Swinemünde (Polen), Korswandt, Gothen, Heringsdorf, Neuhof, Bansin und Sallenthin. Der sportlich ambitionierte und kunstinteressierte Wanderer wird hier voll auf seine Kosten kommen. Und abends heißt es dann

PER PEDES BENZ…

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